Donnerstag, 27. September 2012

Calar Alto, die verschollene dritte Auffahrt

Schon am Dienstag habe ich festgestellt, dass es auf den Calar Alto noch eine dritte Auffahrt geben muss, auch wenn das Web sie nicht kennt. Nämlich von Seron über die A-1178.

Gestern hatte das Wetter ja noch einigermaßen gehalten, aber ich war körperlich total platt. Keine Chance auf dem Weg nach Almeria noch mal eben einen kurzen Halt zu machen und einen 30 Kilometer Anstieg einzuschieben. So hatte ich das gedanklich schon auf nächstes Jahr vertagt. Denn auch den Velefique werde ich dieses Jahr nicht mehr fahren können.

Und obwohl Regen, teils sogar Gewitter vorhergesagt ist, und ich wirklich platt bin, habe ich gestern alles für heute vorbereitet, falls es mich doch packt. Letztlich sind es von Almeria bis Gergal ja nur 40 Kilometer.

Als ich aufwache und einen kurzen Blick aus dem Fenster werfe, ist es nicht nur trocken, sondern auch die Beine und der Rest fühlt sich ganz gut an. Dieser eine Tag gestern, mit etwas schlendern, Cafe trinken und einem langen Mittagsschlaf hat den Akku wieder ein bisschen aufgeladen. Auch die Erkältung zieht sich zurück.

So bin ich um sieben beim Frühstück, lasse den Wagen vorfahren (klingt cool, ist aber nur weil die Parkgarage des Hotels so eng ist, dass nur ein Angestellter die Autos dort rein und raus fahren darf), und um halb neun stehe ich oben auf dem Calar Alto.


Man sieht die Hand vor Augen nicht, geschweige denn eines der Teleskope. Alles ist komplett in Wolken eingehüllt. Außerdem ist es recht kühl, so um die 6° C. Aber noch regnet es nicht.

Es ist das erste mal, dass ich zuerst bergab und dann bergauf fahre. Mit der Abfahrt zu beginnen hat aber den Vorteil, dass ich bei den kühlen Temperaturen nicht durchgeschwitzt in die Abfahrt muss, und dass ich, wenn ich auf über 2100 Meter in Regen und Kälte ankommen sollte, mich einfach ins warme Auto setzen kann. Denn ein Gasthaus oder eine Hütte gibt es hier nicht. Nicht mal was zum Unterstellen.

So rolle ich denn mit Abfahrtsjacke und wärmenden Knielingen bekleidet in das weiße Nichts der Wolke hinein. Zum Glück kenne ich diesen ersten Teil der Abfahrt ja schon, so dass ich mich trotzdem zurechtfinde.


So knapp drei Kilometer sind es bis zur Kreuzung an der Passhöhe Venta Luisa. Dann biege ich nach links ab in Richtung Seron.

Statt der erwarteten Abfahrt, steil bergab wie auf der anderen Seite, geht es aber erst mal nur ganz moderat mit ca. 4% bergab. Und recht bald kommt auch schon ein Gegenanstieg. Und dann geht es recht flach weiter, das Gefälle beträgt nur etwas 3%.




Ich bin schon etwas enttäuscht. Vielleicht gibt es doch nur zwei Anstiege, und dass hier führt immer so weiter am Berg entlang. Naja, laut den Schildern und Google Maps sind es von oben bis Seron immerhin knapp 30 Kilometer, da bin ich nachher im Anstieg vielleicht ganz froh, wenn es hier oben nicht so brutal steil ist. Ich weiß eh nicht so recht wie ich nachher den Berg hochkomme, aber an den Gegenanstiegen schienen die Beine ganz gut zu funktionieren, besser sogar als vorgestern.

Dann wird es etwas steiler, es geht vorbei an einem Abzweig, der nach Barrancon führt, die Straße windet sich mit recht sanften Kurven, um dann steigungsmäßig wieder abzuflachen. Da jetzt gerade mal keine Bäume die Sicht versperren, und ich längst aus der Wolke herausgefahren bin, nutze ich die Gelegenheit für einen Blick und ein Foto über die andalusische Landschaft, die auch bei diesem Licht und diesem Wetter beeindruckend schön ist.


Nachdem ich, mittlerweile wieder etwas steiler, so zwölf Kilometer bergab gefahren bin, komme ich am Abzweig nach Bacares vorbei. Man könnte sagen, eine weitere Auffahrt auf den Calar Alto kann man von dort aus zählen, aber letztlich ist es nur eine Variante, ich bleibe auf der A-1178.


Wenn ich richtig fit wäre, und das Wetter schön, dann würde ich allerdings auf jeden Fall dort entlang fahren. Vor dort geht es nämlich nach Velefique, ein Anstieg den ich unbedingt in diesem Leben noch fahren will, der sah nämlich auf einem Foto, dass ich gesehen habe spektakulär schön aus.

Aber mein teilgeladener Akku wird gerade für den 3. Anstieg auf den Calar Alto reichen, deshalb ist das heute kein Thema.

Jetzt wird die Straße etwas steiler, und ich rolle so bei Gefälle von meist um die 8% meinem Ziel entgegen. Zweimal bleibe ich stehen um die mittlerweile super Ausblicke zu fotografieren.


Die Straße windet sich in weiten Schleifen nacht unten, oft sind es „mehr als 180°“ Kurven. Dabei mit hervorragendem Straßenbelag, und praktisch ohne jeden Verkehr. Rennradtraum Andalusien würde ich sagen.

Nach ca. 50 Minuten habe ich mein Ziel Seron erreicht. Ein malerischer Ort, mit den typisch weißen Häusern, dominiert von einem Castillo. Ganz ähnlich also wie Gergal und Tabernas ganz in der Nähe.


Unten angekommen befreie ich mich von den Abfahrtsklamotten, auch wenn es mit ca. 13° nicht gerade prickelnd warm ist, mache ein Foto vom Startpunkt, dem Kilometer Null der A-1178, und mache mich zurück auf den Weg nach oben zum Calar Alto.


Auch wenn es in der Abfahrt alles ziemlich easy gewirkt hat, so zieht die Steigung doch recht schnell auf ca. 8% an und bleibt da auch.


Und so schraube ich mich recht schnell nach oben, und es bieten sich erste Ausblicke über die herrliche Landschaft, jedenfalls soweit die Wolken es zulassen.




Der Anstieg ist hier im unteren Drittel nicht so „meditativ“, aber doch recht gleichmäßig, laut der Schilder bei 7,5%, laut Garmin zwischen 7 und selten mal 9%.

Ich passiere den Abzweig nach Las Menas. Hier könnte man den Anstieg nochmal variieren, denn man trifft dann später wieder auf die A-1178. Wenn ich noch zwei Wochen hier wäre, würde ich auch diese Variante nochmal fahren, aber heute interessiert mich nur der „Hauptanstieg“.



Kilometer um Kilometer fließt dahin, die Steigung bleibt, bis auf kleine Ausnahmen, recht konstant um sieben, acht Prozent, und immer wieder bieten sich schöne Blicke über das Land. Dabei verändert sich die Landschaft recht subtil.





Der gute Straßenbelag, und der kaum vorhandene Verkehr sind auch berghoch sehr angenehm. Die Temperatur um 13° C ist zum klettern optimal. Ich muss mich manchmal ans Trinken erinnern, da ich gar keinen Durst verspüre.



Nach ca. 15 Kilometern kommt eine kleine Zwischenabfahrt, und gut ein Kilometer später trifft die Straße von Las Menas wieder auf die Hauptstraße.



Man verliert nochmal ein paar Höhenmeter, bevor die Steigung dann wieder recht konstant über mehrere Kilometer bei knapp 8%, selten mal etwas darüber liegt.

Vorbei geht es am Abzweig nach Bacares. Die Temperatur nimmt etwas ab, und die Wolken kommen tiefer, oder ich höher und ihnen damit näher. Auch nimmt die Luftfeuchtigkeit zu, so dass es doch recht frisch ist. Aber das Klettern hält mich noch warm.




Etwas mehr als zwei Drittel sind geschafft. Diesen Anstieg hatte ich doch etwas unterschätzt, ich muss mich schon anstrengen. Die Beine funktionieren gut, aber das müssen sie auch.

Dann flacht die Straße etwas ab, dafür fahre ich jetzt in den Wolken, zwischendurch regnet es sogar ganz leicht. Aber zum Glück ist nichts von den vorhergesagten Regenfällen und Gewittern zu sehen. Zu sehen ist eh recht wenig, außer ein paar Meter Straße vor mir und nebligem Grauweiß.



Im oberen Bereich flacht die Straße noch weiter ab, bis auf 3%. Und dann kommt sogar nochmal eine Zwischenabfahrt, dort nehme ich nochmal Tempo auf und versuche das mitzunehmen auf die Schlusskilometer bis zum Abzweig zum Ziel Calar Alto.

Die Straße ist ja jetzt relativ flach, so dass ich auf dem großen Kettenblatt fahren muss um die Leistung über 280 Watt zu halten. Dabei wird mir ganz schön kalt, denn mittlerweile sind es unter 10° C und der Fahrtwind tut sein Übriges.

Dann endlich der Abzweig hinauf in den Schlussanstieg. Wie ich von vorgestern noch weiß, sind die letzen knapp drei Kilometer nochmal richtig hart, oft im zweistelligen Prozentbereich steil.




Die lange steile Gerade zu Anfang wirkt bei diesen Bedingungen nicht so einschüchternd, da man ja nur ein paar Meter weit schauen kann. Der Wind, der sich ab Kilometer 22 immer mal etwas entgegengestellt hat, weht hier jetzt mit ganz anderer Kraft, allerdings meist von der Seite.

Die Steigung zieht sich, aber die Beine funktionieren noch gut. Das erste mal für heute muss ich aber etwas kämpfen, denn zur „Belohnung“ am Schluss eines 30 Kilometer Anstiegs braucht man eigentlich nicht unbedingt die 11%, die jetzt vom Garmin angezeigt werden.




Man sieht mittlerweile praktisch nichts mehr, nur nach Gefühl erahne ich die paar Kurven die noch kommen, dann der letzte Anstieg, noch 500 Meter. Von den Teleskopen ist nichts zu sehen. Vielleicht sind sie gar nicht mehr da? Ist mir auch egal, denn jetzt habe ich den höchsten Punkt erreicht.



So um die 7° C sind es, ich mache mein Zielfoto mit unsichtbarem Teleskop im Hintergrund, und fahre dann die paar Meter weiter zu meinem Auto.


In der Wolke ist alles komplett nass geworden, geschwitzt bin ich sowieso und hier oben bläst kalter Wind, so dass ich froh bin, das Auto hier oben geparkt zu haben.

Ich schmeiße das Zeug ins Auto, stelle die Heizung auf 10 und die Sitzheizung auf Maximum. Ich glaube ich fahre jetzt immer mit Begleitfahrzeug, das ist echt angenehm, jedenfalls hier, wo es wirklich nichts zum Einkehren gibt.

Anyway, ich bin froh diesen Anstieg noch gefahren zu sein. Nach dem Tag Pause ging das auch ganz gut.

Aber dummerweise muss ich nächstes Jahr nochmal herkommen. Denn den Velefique, den muss ich auf jeden Fall fahren. Ich mache nämlich den Fehler mit dem Auto die Strecke von Bacares bis Tabernas über die AL-3102 zu fahren.

Die Strecke ist unfassbar. Ich fahre jetzt schon drei Jahre steil berghoch, aber diese Straße ist der Hammer. Beide Seiten alleine wären schon die 2500 Kilometer Anreise wert. Mir bleibt der Atem weg, so schön ist die Strecke von Bacares bis auf den Alto de Velefique auf 1860 Metern Höhe, aber die Strecke dann hinunter bis zum Ort Velefique ist das straßenbautechnisch schönste was ich bis heute gesehen habe. Dabei regnet es, und ich sehe vieles gar nicht, da es von Wolken verdeckt ist.

So bleiben mir also doch noch Ziele. Einen Tag dran hängen in Almeria macht keinen Sinn. Das Wetter ist schlecht, und diese Traumstraße muss man bei Sonnenschein fahren. Außerdem bin ich auch körperlich platt nach den letzten anstrengenden Tagen, da könnte es knapp werde mit dem Genießen des Anstieges von Bacares aus, der ist nämlich nicht nur spektakulär schön, sondern teils auch sehr sehr steil.

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